Differenzierter ist die Entwicklung auf dem Sektor der Fahrzeuge für die Küstenschifffahrt zu betrachten. Während sich die einschlägigen Werften in den Niederlanden und in Großbritannien frühzeitig auf das neue Baumaterial umstellten, favorisierten dänische und skandinavische Schiffbauer, ebenso wie ihre Kundschaft, noch lange das Baumaterial Holz. Unter den vielschichtigen Gründen hierfür spielt die mangelnde Finanzkraft der in den Provinzhäfen angesiedelten, kleineren Werften durchaus eine Rolle, setzte der Übergang auf Stahlbau doch die Anschaffung eines entsprechenden Maschinenparks inklusive Antrieb und Kesselhaus voraus. Zudem verlangte die neue Bauweise eine gänzlich anders ausgebildete Belegschaft als die herkömmlichen Schiffszimmerleute.
Vorliegender Band beschreibt das, zumindest was Dänemark betrifft, seltene Phänomen, dass eine mittelständische Werft sowohl die Initiative als auch die Kapitalkraft aufbrachte, um innerhalb des Familienunternehmens neben dem, nota bene, weiter betriebenen Holzschiffbau, eine Stahlschiffbranche zu eröffnen.
Nachdem Werftgründer Jørgen Ring Andersen 1901 verstorben war, übernahm Sohn Johannes im Alter von 21 Jahren die technische Leitung der Werft. Sein jüngerer Bruder Jens Fisker Andersen dagegen erlernte das Metier des Schiffbauingenieurs in Kopenhagen.
Die firmenrechtliche Begründung des Stahlschiffbaus auf dem Holmen, wie die in der Bucht von Svendborg gelegene Insel Frederiksø im Volksmund seit je genannt wurde, fällt in das Jahr 1907. Im gleichen Jahr entstanden unter der Leitung von Jens Fisker Andersen auf einer eigens angelegten Helling bereits zwei Stahlbauten. Der erste davon war KAREN, ein wohlproportionierter Zweimastschoner von 46 BRT. Die Orientierung auf zukünftige Entwicklungen zeigt sich darin, dass KAREN bereits beim Bau mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet wurde und als erster dänischer Stahl-Motorschoner in die Geschichte einging. Bis 1916 wurden bei Ring Andersens Stålskibsværft insgesamt 16 Schiffe gebaut. Den Abschluss bildeten zwei Viermastschoner von fast 400 BRT, deren Bestellung vor dem Hintergrund der kriegsbedingten Tonnageverluste zu sehen ist. Als 1916 Konkurrenz von dritter Seite droht, wagt Jens Fisker Andersen den Schritt nach vorne und gründet, gemeinsam mit weiteren Gesellschaftern das Unternehmen A/S Svendborg Skibsværft og Maskinbyggeri und baut zunächst zwei weitere Viermastschoner auf der existierenden Helling. Danach lässt die Aktiengesellschaft eine eigene großzügige Werft mit Slipanlagen, Schwimmdocks und einem stattlichen Bürogebäude auf der Ostseite der Insel errichten. Vor dem Hintergrund von Bank- und Wirtschaftskrisen muss das eigentlich erfolgreiche Werftuntenehmen 1926 Insolvenz anmelden, die Darstellung des vorliegenden Titels schließt mit dieser Episode.
Autor Kaj Nykjær Jensen hat zum Thema Ring Andersen und zum Schiffbau auf Frederiksø eine besondere Beziehung. Zwei seiner Vorfahren waren in den 1940er und 1950er Jahren als Schiffszimmerer bei Ring Andersen tätig. Man merkt dem Titel an, dass die Befassung mit dieser Svendborger Thematik für ihn eine Herzensangelegenheit ist. Nach einleitenden Abschnitten über die frühe Entwicklung des Hafens und der Insel Frederiksø wird die Chronik der oben skizzierten laufenden Ereignisse zwischen 1901 und 1926 auf der Basis akribischer Recherchen und unter Einschluss detaillierter Schiffslisten dargelegt.
Sozusagen als Exkurs findet sich ein Kapitel über den Beginn der Motorisierung von hölzernen Neubauten bei Ring Andersen. Eine der zahlreichen historische Raritäten stellt der in Nacherzählung wiedergegebene Bericht des späteren Dozenten der dänischen technischen Hochschule Blum dar, der auf Ring Andersens Stahlschiffswerft als Lehrling beschäftigt war, womit eine ebenso authentische wie lebendige Schilderung des Arbeitstages der Stahlschiffbauer unter dem Werftbaas Fisker Andersen geboten wird.
Der Band enthält, eingebracht in ein originelles Layout, zahlreiche Reproduktionen historischer Fotografien. Unter letzteren sind besonders jene Abbildungen aufschlussreich, welche die Entwicklung der Insel von einer durch diverse handwerkliche Kleinbetriebe und einen Tonnenhof geprägten Ansiedlung zu einem modernen Industriestandort dokumentieren. Karten und Pläne ergänzen den topographischen Gehalt der Fotografien.
Bleibt zu sagen, dass die Stahlschiffswerft kurz nach der Insolvenz 1926 erneut in Betrieb ging und bis 1999 zahlreiche Qualitätsbauten ablieferte – ein zweiter Band als Fortsetzung der Chronik aus der Feder des Autors ist angedacht. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass dieses Unternehmen zu Ende des 20. Jahrhunderts die Tore schließen musste, die 1867 gegründete Werft Ring Andersen dagegen heute noch als vielgefragte Reparaturwerft für hölzerne Fahrzeuge existiert.
Die Bedeutung der vorliegenden Darstellung reicht weit über die Beschreibung regionaler Infrastrukturen hinaus. Sie liefert auf dem Gebiet der Technikgeschichte einen wichtigen Beitrag zur schiffbaulichen Entwicklung an der Übergangsphase „vom Holz zum Stahl“ und wird Schifffahrtshistorikern, sowohl was den innerdänischen wie den europäischen Vergleich angeht, von großem Nutzen sein.
© Wolfgang Bühling